Qualität entscheidet über Akzeptanz und
Nutzen der Brustkrebsfrüherkennung
Stellungnahme der Stiftung Koalition Brustkrebs
zum Stand der Einführung in Deutschland
19.01.2006
v.i.S.d.P. Sprecherin: Helga Ebel, Hörnhang 10 52074 Aachen Tel.:0241-8089728 Fax:0241-8082222
In der Brustkrebsfrüherkennung und Diagnostik unterscheiden wir indikationsbezogene Systeme (graues Screening, z.B. QuaMaDi, Screeningmodell der KV Bayern) und bevölkerungsbezogene Systeme (Mammographie-Screening nach Europäischen Leitlinien[1]).
Europäischen Leitlinien Bayerisches
Programm |
Populationsbezogen: Screening |
Individuell indikationsbezogen (graues Screening; Abklärungsdiagnostik) |
Ziel |
Senkung der Brustkrebssterblichkeit bei den gezielt eingeladenen Frauen der Altersgruppe 50-69 Jahre durch höchstmögliche Präzision bei der richtigen Erkennung von frühen Verdachtsfällen bei symptomlosen Frauen |
Nicht Senkung der Brustkrebssterblichkeit, sondern diagnostische Maßnahmen bei Frauen mit oder ohne Symptomen zur Abklärung von Befunden oder nach Indikationsstellung durch den überweisenden Frauenarzt; kein bevölkerungsbezogenes Einladungssystem |
Altersbegrenzung |
In Altersgruppe 50-69 Jahre überwiegt der Nutzen des Screenings dessen potenzielle Gefahren (Strahlenbelastung, falsch positive Befunde) |
Keine Altersbegrenzung ohne jede Berücksichtigung des Strahlenrisikos; „Kontrolluntersuchungen“ in unregelmäßigen, z.T. sehr kurzen Abständen (unter 1 Jahr) |
Sensitivität der Mammographie (Sensitivität= Wahrscheinlichkeit, dass die Mammographie als auffällig klassifiziert wird, wenn tatsächlich ein Brustkrebs vorliegt. |
Sehr wichtig, da keine Stützung durch Komplementärdiagnostik |
Mäßig wichtig: stattdessen wird Mammographie nicht allein, sondern in den meisten Fällen in Kombination mit Ultraschall und Tastuntersuchung durchgeführt |
Spezifität der Mammographie (Spezifität = Wahrscheinlichkeit, dass die Mammographie als unauffällig klassifiziert wird, wenn tatsächlich kein Brustkrebs vorhanden ist) |
Sehr wichtig, da 994 von 1000 verdachtsunabhängig eingeladenen Frauen kein Karzinom haben |
Mäßig wichtig (s.o.), weil die Beurteilung immer in Verbindung mit den zusätzlichen Untersuchungen durchgeführt wird |
Anwendung der Standardkriterien der Europäischen Leitlinien |
Korrekte Anwendung, da in den europäischen Leitlinien niedergelegte Standardkriterien aus randomisierten Studien und Ergebnissen der populationsbezogenen Früherkennungsprogramme europaweit abgeleitet sind; geringe und quantifizierbare Selektionseffekte (Nicht-Teilnehmerinnen); keine Aufnahme symptomatischer Frauen; regelmäßige Untersuchungsintervalle |
die für das Screening gültigen Standardkriterien, z.B. „Abklärungsrate <7%) dürfen nicht erfüllt werden, denn: 1. es findet eine Selektion von symptomatischen Frauen in das „graue Screening“ statt. Damit ist das Brustkrebsrisiko der untersuchten Frauen höher als im Screening (Screening nur gedacht für symptomlose Frauen); 2. der Anteil positiver Befunde muss daher die Screening-Standard-kriterien auf jeden Fall überschreiten; ist dies nicht der Fall, muss von mangelhafter diagnostischer Qualität ausgegangen werden. 3. Für die Screeningstandards sind definierte Zeitabstand zwischen zwei Untersuchungen (eine Screeningrunde=2 Jahre) wichtig für die Qualitätssicherung; im grauen Screening gibt es keine regelmäßigen Zeitabstände zwischen den Untersuchungen. Auf diese Weise können die Ergebnisse verfälscht werden. |
Senkung der Brustkrebssterblichkeit |
Vorhersagbar, da Qualitätsstandards der Europäischen Leitlinien eingehalten werden und eine Teilnahmequote von >70% erreicht wird |
Kein populations-bezogener Effekt messbar: 1. Selektion von symptomatischen Frauen, 2. niedrige Teilnahme bezogen auf die Gesamtbevölkerung, die profitieren würde, 3. bewusste Einbeziehung von Frauen, deren Nutzen durch das Screening den eventuellen Schaden nicht eindeutig überwiegt (alle Frauen, außer den 50-69jährigen ohne Symptome) |
Kosteneffektivität |
Messbar, da der Aufwand den gewonnenen Lebensjahren gegenübergestellt werden kann |
Nicht messbar, da dem Aufwand kein „hartes“ Kriterium für den Nutzen gegenübergestellt werden kann |
Erreichbares Qualitätsniveau der Mammadiagnostik |
Sehr hoch, da im qualitätsgesicherten Screening jeder erkannte Fehler über das konsequente Monitoring der Teilnahme, Geräte,- Bilderstellungs- und Befunderqualität zur ständigen Qualitätsverbesserung genutzt wird. |
Fraglich, da durch geringe Fallzahl eines Teiles der Befunder und Segmentierung der Versorgung die Qualitäts-Sicherung aufwändig und damit bei hohem Aufwand ineffektiv ist. |
Populationsbezogene, zentral organisierte und durchgeführte Screeningprogramme erzielen nachweislich die höchste diagnostische Qualität. Das graue, dezentrlae Screening kann diese Qualität nicht erreichen, da es unsystematisch ist und kein Bevölkerungsbezug herstellbar ist. Selektionseffekte machen eine stringente Qualitätskontrolle wie in populationsbezogenen Programmen unmöglich.
Gegen das bevölkerungsbezogene Screening wird vorgebracht, dass Frauen aus anderen Altersgruppen nicht davon profitieren könnten.
Deshalb werden Qualitätssicherungsmaßnahmen auch für diese Frauen gefordert und damit soll das graue Screening gerechtfertigt werden (Qualitätssicherungsmaßnahmen in der kurativen Versorgung, QuaMaDi). Die folgende Analyse belegt, dass diese Argumentation keine faktische Grundlage hat.
Fazit: Populationsbezogene zentralisierte Screeningprogramme erzielen nachweislich die höchste diagnostische Qualität. Das graue, dezentrale Screening kann diese Qualität nicht erreichen, da es unsystematisch und ohne Bevölkerungsbezug ist. Selektionseffekte machen eine stringente Qualitätskontrolle wie in populationsbezogenen Programmen unmöglich. Den Nachteilen des „grauen Screenings“ steht keinerlei Nutzen für die Frauen gegenüber.
1.2 Abwägung der Nutzen/Schaden Relation der Brustkrebsfrüherkennung und Brustkrebsdiagnostik
Jüngere Frauen haben ein dichteres Drüsengewebe. Dies schränkt die Erkennbarkeit kleiner Karzinome in der Mammographie ein. Gleichzeitig ist die Häufigkeit des Mammakarzinoms bei jüngeren Frauen geringer. Beides führt dazu, dass das Nutzen/Schaden-Verhältnis der Mammographie bei jüngeren Frauen ungünstiger ist als bei 50-69jährigen Frauen. Darüber hinaus muss die Strahlenbelastung und über die Jahre angesammelte Strahlendosis berücksichtigt werden. Je jünger die Frauen sind, desto größer die Strahlenempfindlichkeit und das Risiko, einen vermeidbaren strahleninduzierten Brustkrebs zu erleiden. Deshalb wird von den internationalen Experten eine Einladung unter 50jähriger Frauen zum Mammographie-Screening nicht empfohlen.
Wenn jüngere Frauen dennoch eine qualifizierte Früherkennungsmammographie erhalten möchten, sollte man ihnen eine Mammographie-Untersuchung außerhalb des Programms (ohne Einladung) in EUREF-zertifzierten Screening-Einrichtungen ermöglichen. So ist am ehesten sichergestellt, dass sie eine Mammographie mit adäquater Qualität erhalten. Das gleiche gilt für Frauen mit Symptomen und ältere Frauen von 70 Jahren und darüber. Die Versorgung durch dieselben Experten, die das Screeningprogramm durchführen, stellt sicher, dass alle Frauen die beste mammadiagnostische Qualität erhalten. Durch die kontinuierliche Qualitätssicherung im Screening erreichen diese Expertenteams die bestmögliche diagnostische Qualität. Im englischen Screeningprogramm ließ sich über zehn Jahre eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung entlang der gesamten diagnostischen Kette nachweisen.[2]
Es ist ein übliches Verfahren im industriellen Qualitätsmanagement, die Qualitätssicherung bei einem Indexprozess (Mammographiescreening) durchzuführen. Es ist dann davon auszugehen, dass bei Untersuchungen durch dasselbe Team mit denselben Geräten von z.B. symptomlosen Frauen anderer Altersgruppen, die auf eigenen Wunsch untersucht möchten, oder von symptomatischen Frauen dasselbe hohe Qualitätsniveau wie im Programm erreicht wird. Ein hiervon getrenntes, paralleles Qualitätssicherungssystem für diese Fälle, wie es das graue, dezentrale Screening z.B. im Bayerischen Screening-Programm oder in QuaMaDi (Schleswig-Holstein) vorsieht, erhöht die Kosten massiv, ohne dass diesen Zusatzkosten ein messbarer Gewinn gegenüber steht. Eine weitere negative Konsequenz ist, dass am regulären Screening-Programm teilnahmeberechtigte Frauen vom grauen, minderwertigen Screening „abgeworben“ werden und dadurch die entsprechend den Europäischen Leitlinien erzielbare Senkung der Brustkrebssterblichkeit verhindert wird, denn dieser Effekt kann sich messbar erst bei einer Teilnahmerate von mehr als 70% der Frauen im Screeningalter auswirken.
Fazit: Durch die kontinuierliche Qualitätssicherung im Mammographie-Screening nach Europäischen Leitlinien erreichen die beteiligten Brustkrebsexperten (Ärzte, MTRA’s, Medizin-Physiker, etc.) die bestmögliche diagnostische Qualität. Ein hiervon getrenntes, paralleles Qualitätssicherungssystem, wie es das graue Screening z.B. in QuaMaDi oder dem Bayerischen Screening-Programm vorsieht, erhöht die Kosten massiv, ohne dass diesen Zusatzkosten ein messbarer Gewinn gegenüber steht.
[1] European Guidelines for Quality Assurance in Mammography Screening, 3d Edition, 2001. Editor: N Perry, et al.Luxembourg : Office for Official Publications of the European Communities 2001. ISBN 92-894-1145-7
[2] NHS Breast Screening Programme; Audit of Screen-Detected Breast Cancers for the year of Screening April 2003 to March 2004; Distributed at the Association of Breast Surgery at BASO Conference 11th May 2005; Brimingham. www:cancerscrening.nhs.uk