Mammographie-Screening nach

Europäischen Leitlinien

Qualität entscheidet über Akzeptanz und

 Nutzen der Brustkrebsfrüherkennung

 

 

Stellungnahme der Stiftung Koalition Brustkrebs

zum Stand der Einführung in Deutschland

„Es muss daher Frauen hierzulande solange davon abgeraten werden, am Screening teilzunehmen, bevor diese EUREF-Akkreditierung nicht auch in Deutschland etabliert wurde.“

19.01.2006

v.i.S.d.P.  Sprecherin: Helga Ebel,  Hörnhang 10 52074 Aachen Tel.:0241-8089728 Fax:0241-8082222

Mit der Umsetzung der im Juni 2002 vom Deutsche Bundestag beschlossenen flächendeckende Einführung des Screenings die nach Europäischen Leitlinien wurde die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, d.h. die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen beauftragt.

Die Europäischen Leitlinien basieren auf Ergebnissen der wissenschaftlichen Studien zum Mammographie-Screening und den Erfahrungen der bevölkerungsbezogenen Brustkrebsfrüherkennungs-Programmen in Schweden, Großbritannien, Niederlande, Finnland, sowie regionalen Screeningprogrammen in Italien, Griechenland, Frankreich, Portugal, Spanien, Irland und Luxemburg und wurden von den beteiligten Screening-Experten erstellt. Sie sind der Gold-Standard für die Qualitätssicherung der Mammographie.

Warum nicht auf  niedrigeren Qualitätstandard anfangen „Hauptsache anfangen -Qualität kommt später“?

Die exakte Einhaltung der europäischen Qualitätsstandards ist deshalb so wichtig, weil nur höchste Qualität das Ziel des Screenings - die Senkung der Brustkrebssterblichkeit um 30% - erreicht.

Werden die Qualitätsanforderungen nicht erfüllt, verkehrt sich die positive Nutzen/ Schaden-Relation des Screenings in ihr Gegenteil. Ein schlechtes  Screening schadet mehr als das es nutzt, ist nur teuer und rettet kein Leben - daher ethisch nicht zu rechtfertigen. Bei schlechter Qualität steigt die Anzahl der falschen Befunde (positiv und negativ), ist die Teilnahme niedrig, sinkt die Rate der  tatsächlich erkannten Karzinome, ist die Anzahl der kleinen, noch nicht tastbaren und damit früherkannten Karzinome zu gering und folglich werden keine Frauen durch das Screening vor dem Brustkrebstod gerettet. Daher müssen alle diese Parameter (neben anderen) sorgfältig überprüft und bei kleinsten Abweichungen korrigiert werden. Eine solche strenge externe Qualitätskontrolle ist zwingend notwendig. Ohne sie ist ein Screening-Programm wertlos und potenziell schädlich.

Wo stehen wir Anfang des Jahres 2006 - also fast 4 Jahre nach dem Beschluss des Bundestages, mit dem Screening?

Die Selbstverwaltung erließ Ende 2003 eine Richtlinie zum Screening, die  in wichtigen Details von den Europäischen Leitlinien abwich. Dazu gehörte eine mangelnde Spezifizierung der externen Qualitätskontrolle durch die hierfür in den Europäischen Leitlinien vorgesehenen  Referenzzentren. Des weiteren wurden die Anforderungen für die befundenden Radiologen und die Radiologisch Technischen Assistentinnen, die die Aufnahmen erstellen, heruntergeschraubt. So erhält der Arzt die Zulassung als Screeningradiologe (der sogenannte „Programmverantwortliche Arzt“) von der Landes-Kassenärztlichen Vereinigung, die keine Transparenz über die Vergabekriterien herstellen muss noch selbst genügend qualifiziert ist, um eine solche Auswahl treffen zu können. Ferner wurden solche digitalen Mammogarphiegeräte für das deutsche Programm zugelassen, die sogenannten Speicher-Folien-Systeme, die von der Europäischen Referenzorganisation für Screening (EUREF) als nicht für das Screening geeignet eingestuft wurden.

Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend. Denn von einer effektiven Qualitätskontrolle kann keine Rede sein. Die hierfür eigentlich zuständigen Referenzzentren wurden weder personell (z.T. werden sie geleitet von Radiologen, die keinerlei Screening-Erfahrung haben) noch technisch so ausgestattet, dass sie wirksame Qualitätskontrollen ausführen können. Die täglich notwendigen physikalischen Prüfmessungen der Geräte werden - wenn überhaupt - noch immer in Europäischen Referenzzentrum Nijmegen durchgeführt. Der Aufbau von deutschen Referenzzentren ist damit nur als keineswegs gelungen einzustufen. Folglich ist die gesamte Infrastruktur des Screenings nicht mehr überprüfbar und die Umsetzung der Europäischen Leitlinien in Deutschland hochgradig gefährdet.

Die Stiftung Koalition Brustkrebs fordert gemeinsam mit andern Frauenorganisationen auch für Deutschland, dass jede Screening-Einrichtung und jedes Referenzzentrum eine unabhängige, fachlich fundierte Anerkennung im Rahmen einer EUREF-Akkreditierung erhalten muss, damit für uns Frauen überprüfbar die europäische Qualität gesichert ist.

Es muss daher Frauen hierzulande solange davon abgeraten werden, am Screening teilzunehmen, bevor diese EUREF-Akkreditierung nicht auch in Deutschland etabliert wurde.

Wissenschaftliche Basis

In der Brustkrebsfrüherkennung und Diagnostik unterscheiden wir indikationsbezogene Systeme  (graues Screening, z.B. QuaMaDi, Screeningmodell der KV Bayern) und bevölkerungsbezogene Systeme (Mammographie-Screening nach Europäischen Leitlinien[1]).

Gegenüberstellung:                      Screening nach                     QuaMaDi

                                                           Europäischen Leitlinien       Bayerisches

Programm

Populationsbezogen:

Screening

Individuell indikationsbezogen

(graues Screening; Abklärungsdiagnostik)

Ziel

Senkung der Brustkrebssterblichkeit bei den gezielt eingeladenen Frauen der Altersgruppe 50-69 Jahre

durch höchstmögliche Präzision bei der richtigen Erkennung von frühen Verdachtsfällen bei symptomlosen Frauen

Nicht Senkung der Brustkrebssterblichkeit, sondern diagnostische Maßnahmen bei Frauen mit oder ohne Symptomen  zur Abklärung von Befunden oder nach Indikationsstellung durch den überweisenden Frauenarzt; kein bevölkerungsbezogenes Einladungssystem

Altersbegrenzung

In Altersgruppe 50-69 Jahre

überwiegt der Nutzen des Screenings dessen potenzielle Gefahren (Strahlenbelastung,

falsch positive Befunde)

Keine Altersbegrenzung ohne jede Berücksichtigung des Strahlenrisikos; „Kontrolluntersuchungen“ in unregelmäßigen, z.T. sehr kurzen Abständen (unter 1 Jahr)

Sensitivität der Mammographie

(Sensitivität= Wahrscheinlichkeit, dass die Mammographie als auffällig klassifiziert wird, wenn tatsächlich ein Brustkrebs vorliegt.

Sehr wichtig, da keine Stützung durch Komplementärdiagnostik

Mäßig wichtig: stattdessen wird Mammographie  nicht allein, sondern in den meisten Fällen in Kombination mit Ultraschall und Tastuntersuchung durchgeführt

Spezifität der Mammographie

(Spezifität = Wahrscheinlichkeit, dass die Mammographie als unauffällig klassifiziert wird, wenn tatsächlich kein Brustkrebs vorhanden ist)

Sehr wichtig, da 994 von 1000 verdachtsunabhängig

eingeladenen Frauen kein Karzinom haben

Mäßig wichtig (s.o.), weil die Beurteilung immer in Verbindung  mit den zusätzlichen Untersuchungen durchgeführt wird

Anwendung der Standardkriterien der Europäischen Leitlinien

Korrekte Anwendung, da in den europäischen Leitlinien niedergelegte Standardkriterien aus randomisierten Studien und Ergebnissen der populationsbezogenen Früherkennungsprogramme europaweit  abgeleitet sind; geringe und quantifizierbare  Selektionseffekte (Nicht-Teilnehmerinnen); keine Aufnahme symptomatischer Frauen; regelmäßige Untersuchungsintervalle 

die für das Screening gültigen Standardkriterien, z.B. „Abklärungsrate <7%) dürfen nicht  erfüllt werden, denn:

1.      es findet eine  Selektion von symptomatischen Frauen in das „graue Screening“  statt. Damit ist das Brustkrebsrisiko der untersuchten Frauen höher als im Screening (Screening nur gedacht für symptomlose Frauen);

2.      der Anteil  positiver Befunde muss daher die Screening-Standard-kriterien auf jeden Fall überschreiten; ist dies nicht der Fall, muss von mangelhafter diagnostischer Qualität ausgegangen werden.

3.      Für die Screeningstandards sind definierte Zeitabstand zwischen zwei Untersuchungen  (eine Screeningrunde=2 Jahre) wichtig für die Qualitätssicherung; im grauen Screening gibt es keine regelmäßigen Zeitabstände zwischen den Untersuchungen. Auf diese Weise können die Ergebnisse verfälscht werden.

Senkung der Brustkrebssterblichkeit

Vorhersagbar, da Qualitätsstandards der Europäischen Leitlinien eingehalten werden und eine Teilnahmequote von >70% erreicht wird

Kein populations-bezogener Effekt messbar: 1. Selektion von symptomatischen Frauen, 2. niedrige Teilnahme bezogen auf die Gesamtbevölkerung, die profitieren würde,

3. bewusste Einbeziehung von Frauen, deren Nutzen durch das Screening den eventuellen Schaden nicht eindeutig überwiegt (alle Frauen, außer den 50-69jährigen ohne Symptome)

Kosteneffektivität

Messbar, da der Aufwand den gewonnenen Lebensjahren gegenübergestellt werden kann

Nicht messbar, da dem Aufwand kein „hartes“ Kriterium für den Nutzen gegenübergestellt werden kann

Erreichbares Qualitätsniveau der Mammadiagnostik

Sehr hoch, da im qualitätsgesicherten Screening jeder erkannte Fehler über das konsequente Monitoring der Teilnahme, Geräte,- Bilderstellungs- und Befunderqualität zur ständigen Qualitätsverbesserung genutzt wird.

Fraglich, da durch geringe Fallzahl eines Teiles der Befunder und Segmentierung der Versorgung die Qualitäts-Sicherung aufwändig und damit bei hohem Aufwand ineffektiv ist.

Populationsbezogene, zentral organisierte und durchgeführte  Screeningprogramme erzielen nachweislich die höchste diagnostische Qualität. Das graue, dezentrlae Screening kann diese Qualität nicht erreichen, da es unsystematisch ist und kein Bevölkerungsbezug herstellbar ist.  Selektionseffekte machen eine stringente Qualitätskontrolle wie in populationsbezogenen Programmen unmöglich.

Gegen das bevölkerungsbezogene Screening wird vorgebracht, dass Frauen aus anderen Altersgruppen nicht davon profitieren könnten.

Deshalb werden Qualitätssicherungsmaßnahmen auch für diese Frauen gefordert und damit soll das graue Screening gerechtfertigt werden (Qualitätssicherungsmaßnahmen in der kurativen Versorgung, QuaMaDi). Die folgende Analyse belegt, dass diese Argumentation keine faktische Grundlage hat. 

Fazit: Populationsbezogene zentralisierte Screeningprogramme erzielen nachweislich die höchste diagnostische Qualität. Das graue, dezentrale  Screening kann diese Qualität nicht erreichen, da es unsystematisch und ohne  Bevölkerungsbezug ist. Selektionseffekte machen eine stringente Qualitätskontrolle wie in populationsbezogenen Programmen unmöglich. Den Nachteilen des „grauen Screenings“ steht keinerlei Nutzen für die Frauen gegenüber.

1.2    Abwägung der Nutzen/Schaden Relation der Brustkrebsfrüherkennung und Brustkrebsdiagnostik

Altersabhängigkeit von Brustkrebs- und Strahlenrisiko

Jüngere Frauen haben ein dichteres Drüsengewebe. Dies schränkt die Erkennbarkeit kleiner Karzinome in der Mammographie ein. Gleichzeitig ist die Häufigkeit des Mammakarzinoms bei jüngeren Frauen geringer. Beides führt dazu, dass das Nutzen/Schaden-Verhältnis der Mammographie bei jüngeren Frauen ungünstiger ist als bei 50-69jährigen Frauen. Darüber hinaus muss die Strahlenbelastung und über die Jahre angesammelte Strahlendosis berücksichtigt werden. Je jünger die Frauen sind, desto größer die Strahlenempfindlichkeit und das Risiko, einen vermeidbaren strahleninduzierten Brustkrebs zu erleiden. Deshalb wird von den internationalen Experten eine Einladung unter 50jähriger Frauen zum Mammographie-Screening nicht empfohlen.

Kontrolliertes Screening nach Europäischen Leitlinien sichert die Qualität der gesamten Diagnosekette

Wenn jüngere Frauen dennoch eine qualifizierte Früherkennungsmammographie erhalten möchten, sollte man ihnen eine Mammographie-Untersuchung außerhalb des Programms (ohne Einladung) in EUREF-zertifzierten Screening-Einrichtungen ermöglichen. So ist am ehesten sichergestellt, dass sie eine Mammographie mit adäquater Qualität erhalten. Das gleiche gilt für Frauen mit Symptomen und ältere Frauen von 70 Jahren und darüber. Die Versorgung durch dieselben Experten, die das Screeningprogramm durchführen, stellt sicher, dass alle Frauen die beste mammadiagnostische Qualität erhalten. Durch die kontinuierliche Qualitätssicherung im Screening erreichen diese Expertenteams die bestmögliche diagnostische Qualität. Im englischen Screeningprogramm ließ sich über zehn Jahre eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung entlang der gesamten diagnostischen Kette nachweisen.[2]

Es ist ein übliches Verfahren im industriellen Qualitätsmanagement, die Qualitätssicherung bei einem Indexprozess (Mammographiescreening) durchzuführen. Es ist dann davon auszugehen, dass bei Untersuchungen durch dasselbe Team mit denselben Geräten von z.B. symptomlosen Frauen anderer Altersgruppen, die auf eigenen Wunsch untersucht möchten, oder von symptomatischen Frauen dasselbe hohe Qualitätsniveau wie im Programm erreicht wird.  Ein hiervon getrenntes, paralleles  Qualitätssicherungssystem für diese Fälle, wie es das graue, dezentrale  Screening z.B. im Bayerischen Screening-Programm oder in QuaMaDi (Schleswig-Holstein) vorsieht, erhöht die Kosten massiv, ohne dass diesen Zusatzkosten ein messbarer Gewinn gegenüber steht. Eine weitere negative Konsequenz ist,  dass am regulären Screening-Programm teilnahmeberechtigte Frauen vom grauen, minderwertigen  Screening „abgeworben“ werden und dadurch die entsprechend den Europäischen Leitlinien erzielbare Senkung der Brustkrebssterblichkeit verhindert wird, denn dieser Effekt kann sich messbar erst bei einer Teilnahmerate von mehr als 70% der Frauen im Screeningalter auswirken.

Fazit: Durch die kontinuierliche Qualitätssicherung im Mammographie-Screening nach Europäischen Leitlinien  erreichen die beteiligten Brustkrebsexperten (Ärzte, MTRA’s, Medizin-Physiker, etc.) die bestmögliche diagnostische Qualität. Ein hiervon getrenntes, paralleles  Qualitätssicherungssystem, wie es das graue Screening z.B. in QuaMaDi oder dem Bayerischen Screening-Programm vorsieht, erhöht die Kosten massiv, ohne dass diesen Zusatzkosten ein messbarer Gewinn gegenüber steht. 


[1] European Guidelines for Quality Assurance in Mammography Screening, 3d Edition, 2001. Editor: N Perry, et al.Luxembourg : Office for Official Publications of the  European Communities 2001. ISBN 92-894-1145-7

[2] NHS Breast Screening Programme; Audit of Screen-Detected Breast Cancers for the year of Screening April 2003 to March 2004; Distributed at the Association  of Breast Surgery at BASO Conference 11th May 2005; Brimingham. www:cancerscrening.nhs.uk